Die Struktur der Städte befindet sich im Wandel. Freie Flächen werden für urbane Landwirtschaft genutzt. Urban Farming bringt die Herstellung und Verarbeitung von Gütern zurück in städtische Zentren.

In den letzten Jahrzehnten bestimmten Effizienz, Produktivität und Gewinnmaximierung die Struktur unserer Industrie- und Wissensgesellschaft. Diese Entwicklung nahm enormen Einfluss auf das Stadtbild, welches sich zunehmend zum Zentrum verglaster Bürogebäude und rationaler Verwaltung entwickelte. Arbeits- und ressourcenintensive Produktionsschritte wurden in das ländliche Umland oder gleich in Länder verlagert, da Arbeit billiger und Gesetze und Auflagen unkomplizierter waren. Wachsende Zweifel an der sozialen Gerechtigkeit dieser Strukturen führen jedoch zunehmend zu einem Umdenken. Viele Menschen legen nun mehr Wert darauf, dass die Produkte unter fairen Bedingungen für Arbeiter, Tier und Umwelt hergestellt werden. Auch ein gesteigertes ökologisches Bewusstsein trägt dazu bei, dass lokale Produktionsstrukturen wieder wertgeschätzt werden. Diese Re-Regionalisierung von Landwirtschaft und Güterproduktion in den urbanen Raum ist ein moderner Gegenentwurf zur Globalisierungsbewegung der letzten Jahrzehnte.

Das „Lokal“ ergänzt das „Bio“

In den letzten Jahren ließ sich insbesondere bei Lebensmitteln ein klarer Trend hin zu ökologischer Produktion erkennen. Diese Entwicklung wird zunehmend durch die Nachfrage nach regionalen Erzeugnissen ergänzt. „Regional“ bedeutet mittlerweile, dass solche Produkte direkt im urbanen Raum hergestellt werden. Also nicht, wie zunächst vermutet, in ländlichen Gebieten der Peripherie. Im Gegensatz zum urbanen Gärtnern in Schrebergarten Anlagen strebt das Konzept die nachhaltige Deckung des Bedarfs an Lebensmitteln für die in der unmittelbaren Umgebung lebenden Menschen an.

Diesem ambitionierten Ziel ist man auf der EFC Farm Berlin schon nähergekommen. Fischzucht und Gemüseanbau werden hier in einem symbiotischen Kreislaufsystem zusammengeführt. Das von den Fischen mit Nährstoffen angereicherte Wasser wird zum Bewässern und Düngen der Gemüse Anbauflächen genutzt. Solche nachhaltigen Produktionsketten sind sehr wichtig für das Konzept der urbanen Landwirtschaft. Hier werden die im ländlichen Raum ohnehin knappen Ressourcen effizient eingesetzt. Neben der Effizienz sind es auch die kurzen Transportwege und die Frische, die enormes Potenzial für die Kundennachfrage bedeuten. Durch den technologischen Fortschritt eröffnen sich auch unorthodoxe Möglichkeiten: Das Berliner Start-up Infarm beispielsweise macht dank moderner LED-Technologie dunkle Keller und Industriehallen für die landwirtschaftliche Produktion nutzbar. Sie konnten bereits erste Erfolge verzeichnen.

Wie In-Store Farming von Infarm in Berlin umgesetzt wurde, seht ihr hier:

Urbane Produktion ist auf dem Vormarsch

Neben der urbanen Landwirtschaft werden immer stärker industrielle und handwerkliche Produktionsschritte in den urbanen Raum zurückverlagert. Familienbetriebe und Kleingewerbe erfahren wieder größere Akzeptanz bei den Kunden. Die Nachfrage nach Lifestyle-Objekten, Bekleidung oder Möbeln, die in der direkten Umgebung von Menschen hergestellt wurden, steigt immer mehr. Hochwertig verarbeitete authentische Produkte ersetzen zunehmend unpersönliche Massenware aus Fernost.
Ein gutes Beispiel für diesen Trend ist das Fahrrad, mittlerweile Statussymbol, High-Tech-Gerät und Lifestyle für viele hippe Städter. Das Unternehmen nemus cycles aus Dresden hat diesen Trend erkannt und produziert Fahrräder, deren Rahmen aus heimischen Hölzern hergestellt werden. Neben diesem innovativen Werkstoff trägt auch das preisgekrönte Design der Räder dazu bei, dass sie bei der umwelt- und stilbewussten Zielgruppe heiß begehrt sind.

Urbane Konzepte für den modernen Städter

Urbane Landwirtschafts- und Produktionskonzepte sind eine Alternative zum Profi-optimierten Trend der Globalisierung. Kleine, regional und nachhaltig operierende Unternehmen stellen qualitativ hochwertige Produkte in Marktnischen her. Sie bedienen sich so der Nachfrage nach Nachhaltigkeit genauso wie den Wunsch nach Individualität. Der Lebensraum Stadt wird so nachhaltig aufgewertet, gewinnt an Charakter und steigert so letztlich die Lebensqualität seiner Bewohner.